Immer wenn ich einen neuen Studenten begrüsse, stelle ich unter anderem die Frage nach dem Warum? Die Hintergründe, die jemand angibt, was einen antreibt, genau das Warum, sind für mich immer sehr aufschlussreich und erleichtern mir in vielen Fällen die Planung und Durchführung des Kurses.
Gleichwohl wichtig ist es herauszufinden, wie bereit der Student tatsächlich ist, neues zu lernen. Und hier komme ich schon zu einem der Kernpunkte, wie bewusst ist sich der Taucher, dass er lernen muss und wieviel er weiss und was er nicht weiss?
Um Charles Darwin zu zitieren: „Ignorance more frequently begets confidence than does knowledge“ (Ignoranz erzeugt häufiger Vertrauen als es Wissen tut). Schon Darwin hat erkannt, dass wer nicht weiss, dass er nicht weiss, auch nicht bereit sein kann zu lernen, weil er ja nicht weiss, dass er nicht weiss. Das scheint nur verworren, hat aber seit einigen Jahren als Phänomen einen Namen: der Dunning-Kruger-Effekt. Dies bezeichnet die Tendenz inkompetenter Menschen, das eigene Können zu überschätzen, die eigenen Defizite nicht zu erkennen, und die Leistungen kompetenterer Personen zu unterschätzen. (siehe Wikipedia).
In dieser Konstellation ist es problematisch einen Studenten für eine neue Lernerfahrung zu öffnen und ohne sein bereits erworbenes Wissen oder Fertigkeiten zu minimieren, ihn darauf vorzubereiten, dass er Neues aufnehmen kann.
In der Kompetenzstufenentwicklung spricht man üblicherweise von 4 Stufen (auch Wikipedia), im Falle eines Lehrers möchte ich noch eine 5. Stufe hinzufügen:
1. Unbewusste Inkompetenz: Das Individuum versteht nicht, worum es geht oder weiß nicht, wie es bewirkt werden soll; ebenso erkennt es seine eigenen Defizite nicht oder hat ein Problem, sie zu erkennen.
2. Bewusste Inkompetenz: Die Person versteht oder weiß nicht, wie sie etwas erreichen kann, kennt jedoch ihre Defizite, kümmert sich aber nicht darum.
3. Bewusste Kompetenz: Die Person versteht oder weiß, wie sie die Dinge anpacken muss, um ein Ziel zu erreichen. Trotzdem erfordert das Zeigen des Könnens und Wissens eine hohe Konzentration und Bewusstheit.
4. Unbewusste Kompetenz: Das Individuum hat soviel praktische Erfahrung mit seinen Fähigkeiten, dass sie ihm in Fleisch und Blut übergehen und jederzeit abgerufen werden können, oftmals ohne höhere Konzentration in Anspruch nehmen zu müssen. Diese Person kann ihre Fähigkeiten, da sie sich ihrer nicht bewußt ist, nicht problemlos weitervermitteln wenn seit dem Erlernen ein längerer Zeitraum vergangen ist.
Und 5. Bewusste Kompetenz der unbewussten Kompetenz: Das Übertragen der gelernten Erfahrung und Formulieren der Lerninhalte, so dass auch Laien und Anfänger (auf Stufe 1 stehende) dies aufgreifen können.
Zurückkommend auf die 4 (5) Stufen, beschreibe ich einen Taucher:
1. Ja ich habe eine Spule, mit 15m Leine für meine Boje. Was die Boje brauche ich nicht in der Höhle – aber was ist mit DIR? Warum brauche ich überhaupt eine Sicherheitsspule und ich weiss nicht wie ich Spulen handhabe und was der Unterschied der verschiedenen Spulen und Rollen ist.
2. Ich verstehe den theoretischen Unterschied zwischen Fingerspulen und Spulen mit Griff und Nabe. Ich kann die normalen Hauptspulen nicht leiden, weil sie nicht das machen, was ich will. Die Fingerspulen sind zu klein, wenn ich Handschuhe anhabe und ich kann nicht mit ihnen arbeiten.
3. Ich kann mit der Hauptspule umgehen, wenn ich langsam abtauche und mich auf die einzelnen Schritte und Prioritäten konzentriere. Meine Fertigkeiten verschlechtern sich, wenn ich unvorbereitet mit neuen Aufgaben oder abgeänderten Aufgaben konfrontiert werde wie zum Beispiel in einem anderen Höhlensystem abtauchen oder Kommunikation plus Tauchtechnik in Kombination mit der Leinenarbeit.
4. Spulen, Hauptspulen ob geschlossen oder offen stellen für mich kein Problem dar und ich wähle aufgrund der Tauchgegebenheit die passenden Spulen aus.
5. Als Instruktor vermittle ich logisch und stufenweise aufgebaut die einzelnen Schritte, um eine Überladung des Studenten zu vermeiden und das Lernen zu vereinfachen. Gleichzeitig bin ich in der Lage, bei Problemen zu intervenieren und bei neuen Situationen entsprechend richtig zu reagieren und zu korrigieren.
Üblicherweise setze ich 8-10 Tage für das Höhlentauchtraining an. Selbst bei Tauchern, die bereits fortgeschrittene Tarierungs- und Vortriebstechniken aufweisen und eventuell auch schon Erfahrung im Tauchen mit technischer Ausrüstungskonfiguration haben, stelle ich fest, dass viele Taucher auf Stufe 3 nach den geplanten und durchgeführten Trainingstagen. Wenn sie einen Kurs beenden dann vielleicht auf einer niedrigeren Stufe (wollte full cave, wurde intro-to-cave zertifiziert usw.), denn natürlich möchte ich betonen, dass ich nur zertifiziere, wenn jemand die Anforderungen zur Zertifizierung erfüllt. Für das Lernen von motorischen Fertigkeiten kommt darüberhinaus natürlich hinzu, dass nicht jeder Taucher die gleichen motorischen Fähigkeiten, Feedback- Techniken, Körpergefühl und motorische Lernfähigkeit besitzt. Dies sind spätestens beim technischen Taucher die Limitierungen der Ausbildung, der Punkt an dem man den Studenten nach Hause schickt mit der Aufgabe zu Üben und das Gelernte weiter anzuwenden und zu einem späteren Zeitpunkt wieder zurückzukommen um das Training wieder aufzunehmen.
Tips für die Zukunft meiner Taucher beinhalten auch immer, das zu üben, was sie am wenigsten mögen und weiter umsichtig und bedacht zu tauchen.
Das gegenseitige Lernen bedeutet für mich, dass ich auf Stufe 5 von jedem (wirklich jedem) meiner Studenten lerne. Glücklicherweise bin ich seit 2012 auch wieder in der Lage, diese Lernerfahrungen in Ruhe durchzudenken, zu verarbeiten und mich weiterzuentwickeln. Für mich gehört nicht nur dazu, viel zu Tauchen und im Dschungel neue Systeme zu erforschen, sondern auch das Lernen der theoretischen Basis.
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