Vor 6 Jahren habe ich meinen ersten Bullenhai hier in Playa gesehen, doch erst die letzten Jahre bin ich bewusst auf die Suche nach der Begegnung mit Bullenhaien gegangen, als ich gelernt hatte, dass sie alljährlich zwischen Dezember und Februar in flache Gewässer aufsteigen.

Bullenhai, Playa del Carmen
Bullenhai
Die Bullenhaie sind bei uns das ganze Jahr, was technische Taucher bestätigen, die im Sommer Tieftauchgänge auf 60+ Meter machen, denn oft werden sie von Bullenhaien und ganz selten auch von Hammerhaien umkreist. Die Begegnung mit einem Hammerhai steht noch aus und ich freue mich besonders auf dieses Ereignis.

Fasziniert bin ich von Haien schon seit vielen Jahren, seit meinen ersten Tauchgängen im Meer war klar, dass der Wunsch auf Haisicht immer an oberster Stelle stand. Und immer waren sie etwas besonders, manche Begegnungen werden auf ewig in meinem Gedächtnis eingebrannt sein – und nicht, weil ich Angst hatte, sondern weil es ein absolut einzigartiges Erlebnis mit der Natur ist.

Über die Bullenhaie und Haie im allgemeinen werden viele Gerüchte verbreitet und Wahrheiten verfälscht, so möchte ich mit einigen der gängigsten und kürzlich gehörten Irrtümer aufräumen.

1. Bullenhaie sind die gefährlichsten Haie und greifen wie der Weisse Hai Menschen an.

Menschen stehen nicht auf der Speisekarte von Haien. Wenn Unfälle mit Haien passieren, ist es oft ein Zusammentreffen von mehreren Umständen, oft ist Futter im Wasser, die Sicht ist trüb, die Personen reagieren falsch.

Bullenhaie sind bekannt dafür, dass sie in Süsswasser überleben können, sprich Flussmündungen, die ins Meer münden. Viele grosse Flüsse unserer Erde werden von den Anwohnern immer noch dazu genutzt, um ihre tägliche Wäsche zu waschen, im Wasser stehend zu angeln oder ähnliches. Ein Hai, der in die Enge getrieben wird und keinen Ausweg sieht, kann aus dem Flucht-und Überlebenstrieb heraus beissen oder es ist ein sogenannter Testbiss, weil sie nicht wissen, was sie vor sich haben. Davon abzuleiten, dass die Haie uns jagen, ist purer Unsinn.

Bei Hai.ch steht:

Trotz allem ist ihre Gefährlichkeit jedoch zu relativieren, denn zwischen 1995 und 1996, gab es weltweit nur gerade einen verbürgten und einen zweifelhaften Unfall mit diesen Tieren. Begegnet man diesen Tieren, fällt auf, dass sie oftmals direkt auf den Taucher oder Schnorchler zuschwimmen, etwas, was bei Riffhaien meist nicht der Fall ist (abgesehen von tauchergewöhnten oder angefütterten Tieren). Diese, meist einschüchternde Annäherungsweise, wird durch eine geringe Fluchtdistanz unterstrichen. Dabei entsteht meist auch ein Gefühl von diesen Haien „angestarrt“ zu werden, etwas, was zwar denn meisten Grauhaien nachgesagt werden kann, bei Bullenhaien aber durch die sehr kleinen Augen unangenehm auffällt.

Und nichtzuletzt bei Sharkproject.org diese überaus klare Klarstellung (sorry, für das doppelt gemoppelt, aber Danke, Danke, Danke an Sharkprojekt):

Die ISAF Attackenstatistik nach Arten zeigt es deutlich. In einer Liste von 39 Haiarten, die Menschen attackiert haben, führt der Weiße Hai deutlich mit 232 Attacken wovon 63 tödlich enden. Der zweite mit weitem Abstand ist der Tigerhai mit 86 Attacken und davon 28 Toten. Den dritten im Bunde bildet der Bullenhai mit 75 Attacken und 23 Toten. Weit abgeschlagen folgen dann Requiemhaie mit 30 Attacken und 8 Toten und Arten wie Sandtigerhaie, Schwarzspitzen-Riffhaie bis hin zum Hundshai, der mit einem unprovozierten Angriff die rote Laterne der Haistatistik bildet. Im Grunde eine klare Aussage, bei der nur nachdenklich macht, dass sie den Zeitraum von 1580 (sie haben richtig gelesen) bis 2006 umfasst. Dazu kommt die Einleitung zu der Statistik, die mehr oder weniger die Statistik selbst in Frage stellt, weil sie feststellt, dass die meisten Haiarten bei Unfällen überhaupt nicht zweifelsfrei identifiziert werden können und man überwiegend auf Berichte aus zweiter oder dritter Hand angewiesen ist.

2. Wenn die Haie um uns kreisen, dann checken sie uns aus, bevor sie angreifen.

Da ich eben diese überaus klare Erklärung von Dr. Erich Ritter auf Shark Info gelesen habe, möchte ich sie hier wörtlich zitieren.

Es ist ein Vorurteil. Haie kreisen nicht, um später zu attackieren, sondern um sich ein Bild davon zu machen, was sich da vor ihnen im Wasser befindet. Meinen eigenen vielen Beobachtungen zufolge ist es reine Neugier, und nicht verbunden mit einem Fressreiz. Das Kreisen ist entsprechend auch nicht mit dem Einkreisen von Beute zu verwechseln, sondern beruht darauf, dass die meisten Haiarten permanent schwimmen müssen, um zu atmen, denn diese Haiarten können das Wasser nicht wie Knochenfische aktiv an ihren Kiemen vorbeipumpen, um ihm den Sauerstoff zu entziehen. Bedenkt man weiterhin, dass sich der Schwimmer oder Taucher im Vergleich zum Hai meistens fast nicht bewegt, bleiben dem Hai nur zwei Verhaltensvarianten; entweder er kreist oder schwimmt in Form einer Acht – in einer Auf- und Abwärtsbewegung – vor dem Objekt des Interesses hin und her. Kreisen hat den Vorteil, dass der Hai nicht ständig die Schwimmrichtung ändern muss und dennoch in konstanter Entfernung bleiben kann. Befindet sich das Objekt allerdings nicht im freien Wasser, sondern zum Beispiel in einem Riff, kann er es nicht umkreisen, da sonst der Augenkontakt unterbrochen werden könnte. In diesem Fall wird der Hai in der Achterbewegung vor dem Schimmer oder Taucher hin und her schwimmen. Dabei wird er jedoch immer darauf bedacht sein, das freie Wasser im Rücken zu haben.

3. Der Bullenhai heisst so, weil er wie ein Bulle eine grosse Menge Testosteron im Blut hat, welches ihn aggressiv macht.

Bei BR Online finde ich folgende Erklärung: *

Offiziell heißt er „Gemeiner Grundhai“ oder „Stierhai“, im täglichen Gebrauch hat sich allerdings die Bezeichnung „Bullenhai“ eingespielt. Ursache ist allein schon das bullige Äußere mit dem mächtigen Kopf.

Im Deutschen hat er auch den Namen Gemeiner Grundhai, Bullenhai oder Stierhai ist eine wortwörtliche Übersetzung seines englischen Namens Bullshark.

Jetzt weiss ich nicht, ob dies unter den 1. oder 3. Punkt gehört, aber ich applaudiere Tina Gstoettner, deren Beitrag ich aus einem Forum bei Sharkproject.org kopiert habe:

Ein Wort zum Anthropomorphismus
Wer kennt nicht den Ausdruck der böse Wolf, der schlaue Fuchs oder die dumme Gans? Alle drei Ausdrücke haben etwas gemeinsam: Anthropomorphismus – das Hineininterpretieren menschlicher Gefühle in die Erscheinungsweise eines Tiers. Zwar weiss jeder, dass es sich bei den obigen Bezeichnungen nur um Ausdrücke handelt, und dass der Wolf nicht wirklich böse ist oder die Gans dumm, aber Anthropomorphismen haben sich in einem ähnlichen Rahmen auch in der Wissenschaft eingeschlichen und machen gerade das Beschreiben von Tierbewegungen oder „Erscheinungsbildern“ teilweise schwierig. Oft sind Studenten oder auch angesehene Wissenschaftler nicht in der Lage, das Verhalten eines Tiers neutral zu beschreiben, und haben teilweise mehr als nur die Tendenz, tierische Verhaltensweisen mit menschlichen Gefühlen zu umschreiben. Damit weiss dann zwar jeder, was gemeint ist, doch ist eine solche Beschreibung nicht korrekt. Einer unserer beliebtesten Sätze, wenn wir mit Studenten über dieses Thema diskutieren ist, dass wenn ein Wissenschaftler von einem aggressiven Hai spricht, man seine Expertise nicht ernst zu nehmen braucht. Denn der betreffende Forscher ist scheinbar nicht in der Lage, das gesehene Verhalten objektiv – ohne eigene Emotionen – beschreiben zu können und entsprechend hat er seine Hausaufgaben nicht erledigt. In einer eher bissigeren Note lassen wir unsere Studenten dann aber auch wissen, dass jemand, der einen Hai als aggressiv bezeichnet sicher keine Erfahrung mit diesen Tieren haben kann, ansonsten er keinen Ausdruck bräuchte, der wissenschaftlich für diese Tiere noch nie definiert wurde. Ganz allgemein haben wir grosse Probleme mit diesem Wort, wenn man es im Zusammenhang mit einem wilden Tier verwendet. Natürlich werden nun viele sagen, dass sie ebenfalls schon einen aggressiven Hai gesehen hätten – doch ist dem wirklich so? Wir glauben, dass noch nie jemand einen Hai gesehen hat, dessen Verhalten wirklich diese Emotion darstellte. Ein als aggressiv bezeichneter Hai ist entweder ein Hai, der eine erniedrigte Annäherungshemmschwelle hat etwas Neues auszukundschaften und es schlussendlich vielleicht mit einem Biss auch tut, um herauszufinden, was es ist. Oder es ist ein sich „normal“ verhaltender Hai, dessen innerer Kreis (siehe weiter unten) geringer ist, als bei einer – für den Taucher – bekannten Art. Diese beiden Beschreibungen scheinen zwar wenig aussagekräftig, doch geben sie Hinweise darauf, warum ein Hai für einen Menschen aggressiv erscheinen kann.
Einen Hai als aggressiv zu sehen, reflektiert die Grundeinstellung, die eine Person gegenüber Haien hat. Bereits in den späten 1920er Jahren sagte der Philosoph Betrand Russell, dass Tiere sich immer so verhalten werden, dass sie die Ansichtsweise des Beobachters bestätigen werden. Und auch der Nobelpreisträger Konrad Lorenz hat um 1960 etwas sehr ähnliches gesagt. Dass nämlich niemand, der ein Tier nicht wirklich liebt, die Geduld haben wird, sich so lange hinzusetzen, wie es notwendig wäre, um das Tier auch wirklich zu verstehen (und entsprechend eben die Grundeinstellung früher oder später in einer Beschreibung zum Tragen kommen wird). Wir möchten an dieser Stelle nicht sagen, dass man Haie lieben muss, um sie in den Grundzügen zu verstehen, aber wir sind ebenfalls der Überzeugung, dass Menschen, die diesen Tieren eher furchtsam, ekelerregt oder in Panik gegenübertreten, ein entsprechendes Verhalten eher sehen und in das Tier hineininterpretieren als jemand, der diesen Tieren gegenüber ohne Vorurteile ist. Natürlich kennen wir auch hier diejenigen Leute, die uns nun sagen würden, dass sie keine Angst vor Haien haben, aber dennoch einen aggressiven Hai sahen. Was sagen wir denen? Sofern sie uns Bilder oder Videoclips zeigen konnten waren es immer die bereits erwähnten Hemmschwellen des Hais, die erniedrigt wurden oder das Vorhandensein eines geringeren inneren Kreises, aber keine Aggression. Dort, wo keine Dokumente gezeigt wurden, müssen wir wohl oder übel mit der alten Idee leben, dass Haie und ihre Verhaltensweisen immer grösser und bedrohlicher werden, je weiter das tatsächliche Ereignis zurückliegt. Schlussendlich sollte man aber nicht vergessen, was Aggression eigentlich bedeutet. Das Wort stammt vom lateinischen aggredi ab und bedeutet Angreifen. Etwas, was wohl in den wenigsten Fällen im Zusammenhang mit Haien und Menschen je geschehen ist.
Trotz dieser Bemerkungen sind wir uns sicher, dass aggressive Haie – so lange Menschen mit Haien interagieren – in den Medien und Tauchergeschichten Platz haben werden. Es ist uns allerdings ein wichtiges Anliegen, dass wir zu lernen beginnen, dass nicht alles, was so scheint, auch tatsächlich so ist.

….Fortsetzung folgt, ich weiss, dass ich dieses Jahr viele Male mit den Bullenhaien tauchen werde.


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