Gerade heute habe ich in meinem Open Water Diver Kurs wieder die Geschichte von Taucher X erzählt, mit dem ich einst in Hemmoor tauchen war. Dieses Wochenende werde ich nie vergessen, weil ich als nicht mehr ganz blutiger Anfänger – hatte ich doch schon stolze 100 Tauchgänge und war Divemaster – einen Tauchpartner hatte, der auf meine Fähigkeiten keinerlei Rücksicht genommen hatte und ich auch nicht in der Lage war, mich ihm verständlich zu machen. Kurz gesagt, ich bin ihm wie ein Idiot an der Flosse gehangen und habe versucht, mit seinem Tempo Schritt zu halten. Ich hatte auch am ersten Tag versucht ihm mein (mein?) Problem zu erklären, aber am folgenden Tag war es fast noch schlimmer, deshalb habe ich mir geschworen, nie mehr mit ihm zu tauchen.
Als Tauchlehrer übernehme ich die Verantwortung bei der Ausbildung und versuche verantwortliches Handeln auch im Kurs zu vermitteln, damit die Taucher nach Abschluss eigenverantwortlich und mit fundierten Kenntnissen ihre Entscheidungen treffen. Ich gehe aber auch als Guide mit bereits zertifizierten Tauchern ins Wasser. Einige meiner schönsten Tauchgänge habe ich mit exzellenten Tauchern genossen. Und einige meiner Schlimmsten mit Tauchern mit einigen Tauchgängen im Logbuch (von erfahrenen Tauchern will ich hier nicht sprechen). Immer wenn die Leute meinten, sie wären besonders gut, so dass bestimmte Regeln für sie nicht mehr gelten. Da wäre im Besonderen das Buddyteam – Verfahren zu nennen und ganz im Allgemeinen, die Rücksicht, die ich auf Taucher nehme, die andere Leistungsgrenzen als ich haben. Aber auch Taucher, die eine gehörige Selbstüberschätzung ihrer eigenen Fähigkeiten haben, jagen mir regelmässig einen gehörigen Schrecken bei meinen Meertauchgängen ein. Zeichen, dass sie bei 30 m nur noch 50 bar haben, in der Deko sind, weil sie ihren Tauchcomputer nicht verstehen, Tieftauchgänge ohne erkennbare Planung und unverständlicherweise ohne Kontrollinstrumente durchführen (die Krönung war der Taucher, der kürzlich mit eigenem Lungenautomat aber ohne Tiefenmesser, wohl mit Uhr getaucht hat, den Advanced Nitrox Kurs bei einer Tauchschule hier belegen wollte und mir sagte, er halte sich in der Tiefe einfach immer nah bei mir), Fotografieren ohne auf ihre Partner zu achten und diese eine Einstellung noch schiessen wollen, obwohl der Tauchgang beendet wurde. Ich denke, diese Geschichten sind Standard Tauchlehrer- Erkenntnis, aber vielleicht doch irgendwann mal wert, ein Buch als Realsatire zu schreiben (das nur als Nebenbemerkung).
Nun habe ich vor über einem Jahr meine Full- cave- Ausbildung gemacht. Relativ unausweichlich, wenn man im Paradies der Höhlentaucher wohnt. Soll ich auch noch erwähnen, dass viele der Aha- Effekte, von dem mir so viele Leute (Taucher wie Tauchlehrer) berichteten, die diesen Kurs machten, bei mir nicht auftauchten, einfach, weil ich das Konzept des sicheren Tauchens schon zuvor realisieren wollte. Und nachdem ich meine Full- Cave- Ausrüstung endlich komplett hatte, fühlte ich mich wie der Bär, der vor dem Bienenstock voller Honig sitzt und seine Pratze nicht durch das Loch bekommt. Denn obwohl nur einige Kilometer von den ersten Cenoten- Löchern entfernt, ohne Auto kommt man einfach nicht hin. „Armes Ding,“ nein, das will ich gar nicht hören. Ich habe ja versucht, mich mit anderen Höhlentauchern zu verabreden. Manchmal hat es geklappt, leider viel zu selten. Und manchmal, leider viel zu oft für mein Empfinden, habe ich wieder dieses Gefühl, dass mein Tauchpartner hier Sachen macht, die ich nicht gutheissen kann.
Man kann mich nun Memme, Weichei und sonstiges nennen. Ich tauche nun seit knapp 10 Jahren, habe ca. 2500 Tauchgänge. Ich bin stolz darauf, ich stehe völlig zu meinem Sicherheitsempfinden. Ich finde es nicht ok, wenn man tauchen geht, obwohl man weiss, dass der Lungenautomat einen geplatzen O- Ring hat und konstant abbläst; auch wenn es nur wenig ist. Das gefällt mir nicht im offenen Wasser, aber in einer Tauchumgebung ohne direkte Aufstiegsmöglichkeit zur Oberfläche und daher einem verzögertem Auftauchen irritiert mich das sehr, da im Notfall ja ich diesem Taucher mir meiner Luftreserve rausbringen muss. Ich finde es bedenklich, wenn ich von meiner Luftplanung, die nur dann die Drittel- Regelung sein sollte, wenn ich auf meinem Weg auch noch Notausstiegs- Luftlöcher habe, abweiche, um einen mir unbekannten Arm des Systems, der noch dazu durch eine Zone mit extremer Perkolation (durch die Ausatemblasen ausgelöste Teilchen, die die Sichtweite extrem herabsetzen können) und durch nicht allzu schmale aber dennoch vorhandene Verengungen führen, zu erforschen. Ich finde es unverantwortlich, wenn Cenote- guides von der Leine weggehen und bis zu vier Taucher hinter sich her schwimmen lassen und ihnen ein falsches Gefühl von Sicherheit geben, da der Guide ja die Höhle kennt. Ja aber der einzelne Taucher macht doch seinen ersten Tauchgang hier und kennt sie doch nicht und was ist, wenn genau der, der eben die geringere Leistungsgrenze hat, ein Problem gekommt? Ich kann gar nicht sagen, wie albern ich es finde, wenn Leute auf ein Sicherheitstraining vor dem Höhlen- Tauchgang (den sogenannten S-Drill) verzichten, bloss weil sie Luft sparen wollen. Was atme ich schon für ein paar Minuten auf so drei Meter im Eingangsbereich der Höhle weg? Ich finde es extrem gefährlich, wenn full-cave- diver Aussagen machen, dass sie in Solo- Tauchen ausgebildet sind, damit aber meinen, die Doppeltanks am Rücken seien ein ausreichend redundantes System dafür. Und noch gefährlicher ist es, wenn andere Taucher durch ein solches „Vorbild“ angespornt werden und zum Nachahmer werden. Ich wundere mich, wie Guides es schaffen, den Tauchern zu erklären, dass wenn ihr Tauchcomputer in die Deko springt, es dennoch kein Deko- Tauchgang ist, weil er ja beim Aufstieg wieder rausspringt. Nicht dass wir davon sterben werden, bloss weil wir einen Deko- Tauchgang gemacht haben. Aber für blöd muss ich sie ja auch nicht verkaufen, oder?
Vergangenes Jahr, habe ich mir den Luxus geleistet, vorausschauenderweise ein Ausrüstungspaket von einer ehemaligen Taucherin zu kaufen und habe damit unter anderem drei weitere erste Stufen und etliche zweite Stufen und ein Stage- Rig erstanden. Ich frage erfahrene cave divern, um mir Pläne der Systeme zu beschaffen und hole sofern möglich die Meinung von den guten full- cave Tauchern vor Ort ein. Ich habe mir lange Zeit Gedanken darüber gemacht, ob ich als PADI Tauchlehrer diesen Schritt verantworten kann und inwieweit dies mit meiner Einstellung zum sicheren Tauchen zusammenpassen kann. Vor einigen Wochen hatte ich das super Glück, von meinem Bekannten ein Auto für einige Zeit zur Verfügung gestellt zu bekommen. Schlussendlich habe ich mich dafür entschieden: ich gehe solo tauchen und ich fühle mich sicher. Ich benutze einen stage tank, den ich Harvey nenne, der mein Buddy ist. Meinen Hauptluftvorrat plane ich maximal bis zur Viertel- Regelung, die Stage- Flasche (heisst sie dann eingentlich noch stage?) wird bis auf den Test nicht berührt und während des Tauchgangs immer bei mir mitgeführt. Ich übe an einfachen Höhlensystemen und mache alleine bisher keine komplizierten navigatorischen Entscheidungen (keine mehrfachen jumps, ausser dem ersten von der cavern Leine weg). Ich habe kein Ziel, wenn ich in die Höhle gehe (muss also keinen definierten Endpunkt erreichen, und setze mich damit nicht unter Druck), ausser dem Ziel, Spass zu haben, den Tag zu geniessen. Ich habe für meinen Tauchgang den ganzen Tag Zeit und natürlich schlafe ich aus, bereite mich in aller Ruhe vor, entspanne und geniesse. Ich freue mich, wenn es gut läuft und finde es erstaunlich, dass mein 110 min Tauchgang gefühlsmässig einer meiner kurzen Tauchgänge war. Daraus lerne ich! Und ich bin froh, dass ich mit manchen Leuten nicht mehr tauchen muss.
Leider sind diese Negativ- Beispiele oben keine Einzelfälle. Indem ich den menschlichen Faktor weglasse, minimiere ich somit die Fehler- und mögliche Risikoquelle. An dem Tag, an dem mich erfahrene Taucher oder Tauchlehrerkollegen als Autorität anerkennen, ohne dass ich dafür kämpfen muss, wenn ich mein Wissen vermitteln kann, ohne mir blöd vorzukommen, wenn ich mein Tempo gehen kann, ohne darauf hinweisen zu müssen, dass hinter der Langsamkeit der Genuss steht, ja dann entscheide ich mich wieder, einen Fun- Tauchgang mit Buddy zu unternehmen. Und wie gesagt, manchmal hat es ja schon geklappt. Und dann hoffe ich immer noch, dass ich einen Mentor finde, der mir noch mehr gute Sachen im Tauchen beibringen kann.
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